Wie radikalisieren sich Jugendliche – und wie kann die Gesellschaft wirksam gegensteuern? Diese drängende Frage stand im Mittelpunkt einer hochkarätig besetzten Veranstaltung am Campus Tivoli. Extremismusforscher Florian Hartleb stellte sein neues Buch „Teenagerterrorismus“ vor und diskutierte mit Staatsschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner sowie Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier über Ursachen von Terror und Strategien zur Prävention. Moderiert wurde der Abend von Yvonne Widler.
Radikalisierung verstehen – bevor es zu spät ist
Hartleb zeichnete ein eindrucksvolles Bild der stillen, oft unsichtbaren Radikalisierung: Jugendliche, die sich nach Anerkennung, Sicherheit und Orientierung sehnen und diese weder in Familie noch Schule oder Freundeskreis finden, sind leichte Beute für radikale Ideologien im Netz. Islamisten und Rechtsextreme suchen gezielt nach solchen Orientierungslosen und locken sie mit einfachen Antworten. Die meisten Täter planen ihre Taten lange und verstehen sie als „Mission“. Gewaltprävention müsse deshalb früh ansetzen – lange bevor aus Worten Taten werden.
Jugend im Rückzug – Angst als prägendes Gefühl
Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier beschrieb die heutige Jugend als pragmatisch, anpassungsfähig und stark auf das Private fokussiert. Viele junge Menschen ziehen sich aus gesellschaftlichen Debatten zurück und sehnen sich nach Sicherheit. Vor allem junge Frauen in Städten berichten von Angst im öffentlichen Raum. Politische Überzeugungen treten in den Hintergrund, stattdessen wirken persönliche Verletzungen und Frustrationen als Nährboden für Radikalisierung.
Staatsschutz warnt: Gefahr größer als viele glauben
Haijawi-Pirchner machte deutlich, dass Österreich mit über 650 Hochrisikogefährdern und rund 2.000 IS-Anhängern konfrontiert ist – deutlich mehr, als viele vermuten. Der Staatsschutz brauche klare gesetzliche Befugnisse, um Gefährder im Blick zu behalten. Doch Gesetze allein reichen nicht: „Prävention beginnt in der Familie“, betonte er.
Familie als stärkste Schutzmauer
Am Ende waren sich alle einig: Die wirksamste Terrorprävention passiert zu Hause. Eltern sollten sich für die Lebenswelt ihrer Kinder interessieren, digitale Aktivitäten begleiten und Alarmzeichen wie plötzliche Abschottung ernst nehmen. Offene Gespräche und echtes Zuhören sind entscheidend, um Jugendliche frühzeitig aufzufangen.